Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und der Eurozone werden zunehmend enger. China gilt als Aspirant auf den ersten Platz der Wirtschaftsmächte – spätestens 2020 wird damit gerechnet, dass die USA abgehängt sind, lauten die Schätzungen.

Umso verwunderlicher scheint es, dass nach wie vor gravierende Sprachbarrieren herrschen – z. B. in der Kommunikation von Deutschen und Chinesen. Viele Wirtschaftsexperten meinen, es sei an der Zeit, die Weltsprache Chinesisch auch hierzulande als solche anzuerkennen. Unsere Wirtschaft werde nicht daran vorbeikommen, sich auf die Sprache Mandarin „Putonghua“, die offizielle Amtssprache in der VR China, einzustellen. Von den rund 50.000 Schriftzeichen werden etwa 1.500 bis 3.000 benötigt, um eine Zeitung lesen zu können. Es handelt sich folglich um eine sehr komplexe Sprache.

Der chinesische Markt wird immer wichtiger

Unstrittig ist der Nutzen, der sich bisher aus der Sprachbarriere ergeben hat. Der in China herrschende Hunger nach westlicher Kultur wurde lange nicht von europäischen und anderen westlichen Content-Anbietern gesättigt. Inzwischen gilt die Marktlücke als geschlossen – mithilfe von kostenpflichtigen Downloads können sich Chinesen mit Musik und Songtexten sowie Spielen, Apps und E-Books versorgen. Es gibt Übersetzungen der Inhalte auf Chinesisch, die über die Social Media und Anbieter im Bereich Mobilfunk verbreitet werden. Dadurch erhöht sich der Zugang der Chinesen zu westlicher Kultur enorm, während die meisten Deutschen Chinesisch nicht von Japanisch unterscheiden können. Zumindest in der Wirtschaft befürworten viele, dass sich dies ändern sollte.

Nicht zuletzt scheint eine sprachliche Annäherung auch deshalb notwendig zu sein, weil chinesische Investoren häufig einen Kulturschock in Europa erleben. Speziell in Deutschland, wie eine Studie des German Center for Market Entry belegte: Darin monierten die Geldgeber aus Fernost kulturelle Unterschiede, Hindernisse in der Verständigung und die deutsche Bürokratie. Fachanwälte regeln viele Angelegenheiten mithilfe von deutschen Juristen, die Chinesisch sprechen. China-Experten geben außerdem den Rat, sich von Vorurteilen gegenüber der unternehmerischen Ethik der Chinesen zu lösen und das Land als Chance zu begreifen. Immer mehr junge Wirtschaftswissenschaftler und Juristen gehen für einige Semester nach China, um die Weltsprache Chinesisch zu lernen und sich fit für die Zukunft zu machen. Wer in zehn Jahren kein Chinesisch kann, kommt nicht weit, heißt es.

Chinesisch lernen lohnt sich

Auf diese Entwicklung reagieren auch zunehmend die Universitäten, die hier eine Lücke schließen wollen. Denn bisher wird erst an wenigen Schulen in Deutschland die chinesische Sprache als reguläres Schulfach unterrichtet. Auf dem Arbeitsmarkt gelten Sprachkenntnisse in Chinesisch längst als sehr begehrt – vor allem Wirtschaft, Wissenschaft und Politik rüsten sich für die nahe Zukunft. Insofern wird es immer wichtiger, dass es genügend qualifizierte Chinesischlehrer gibt, um den wachsenden Bedarf zu decken. An der Uni Göttingen wurde vor zwei Jahren das Studienangebot Ostasienwirtschaft/Chinesisch als Fremdsprache eingerichtet. Die Universität erforscht unter anderem, wie sich die Sprache am besten vermitteln lässt.

Unternehmen, die aktive Geschäftsbeziehungen mit chinesischen Partnern unterhalten, haben Vorteile bei Verhandlungen und Vertragsabschlüssen, wenn in ihren Reihen Chinesisch verstanden wird. Vielfach wird in Firmen, die viel mit China zu tun haben, ein Muttersprachler beschäftigt, der die Sprachbarrieren versiert überbrückt. Andere Aufgaben wie Produktbeschreibungen oder Websites auf Chinesisch werden in der Regel an professionelle Übersetzungsbüros delegiert. Wer so verfährt, erzielt vielleicht gute Abschlüsse mit China, bleibt der Sprache und ihren soziokulturellen Hintergründen jedoch fern. Daraus ergibt sich eine Distanz zu den Menschen, die nicht bestehen bleiben muss. Entfällt die soziale Komponente im Geschäftsleben nahezu komplett, kann sich dies nachteilig auf vertrauensbildende Maßnahmen auswirken.

Englisch und Spanisch haben sich als Business-Sprachen etabliert, Chinesisch befindet sich auf dem besten Weg dorthin. Insofern ist es durchaus sinnvoll, dass sich Deutsche und alle Europäer bewegen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Chinesisch zu können, bedeutet schon heute wichtiges Fachwissen – und morgen erst recht.

Gastartikel: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag von Peter Schmidt. Er ist Mitarbeiter beim Hamburger Übersetzungsbüro TypeTime Translations, welches sich u. a. auf professionelle Chinesisch-Übersetzungen für Unternehmen spezialisiert hat.